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Den Begriff „Insulinresistenz“ hören viele Typ 2-Diabetiker, am Tag ihrer Diagnose zum ersten Mal. Die Unempfindlichkeit der Körperzellen für Insulin soll dafür verantwortlich sein, dass sich die Stoffwechselkrankheit bei ihnen unbemerkt eingeschlichen hat. Jeder kann eine Insulinresistenz im Laufe seines Lebens entwickeln. Bei frisch Betroffenen wirft sie viele Fragen auf, die wir heute beantworten möchten. Was es mit der – auch als Vorform von Diabetes Typ 2-assoziierten – Erkrankung auf sich hat und wie ihr entgegengewirkt werden kann, erklären in diesem Gastbeitrag Alicja Kurzius – Gründerin des Projekts “Insulinresistenz-der Weg zur Genesung” und Autorin des Buchs: „Insulinresistenz natürlich behandeln“ sowie Anika Dreier. Die Diplom Biologin arbeitet in einem medizinischen Forschungslabor in Hannover und begleitet aktiv das Projekt u.a. bei Recherchen und Auswertung von Quellen.

Was ist Insulinresistenz?

Bei einer Insulinresistenz reagieren die körpereigenen Zellen gestört auf Insulin – sie haben langsam und über einen längeren Zeitraum hinweg eine verringerte Insulinempfindlichkeit entwickelt (1). Der Blutzucker kann vom Körper nur durch eine enorme Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse stabilisiert werden – dies wird als Hyperinsulinämie bezeichnet. Werden Insulinresistenz und die dabei oft diagnostizierte Hyperinsulinämie nicht behandelt, entwickelt sich mit der Zeit ein Diabetes Typ 2 (4).

Ein Zusammenhang von Insulinresistenz und Hyperinsulinämie wird aber auch mit weiteren Krankheiten in Verbindung gebracht oder zumindest vermutet. Dazu zählen eine nicht alkoholische Fettleber (2), abnorm niedrige oder hohe Blutzuckerspiegel (Hyper- und Hypoglykämie), unterzuckerungsähnliche Symptome wie Zittern, Benommenheit, Unruhe, Angst oder Panikgefühl, trotz grenzwertig-normalem Blutzuckerspiegel; Fettleibigkeit, Schlafapnoe (5), Depression (6), Alzheimer Demenz (7), die Schilddrüsenkrankheit Hashimoto Thyreoiditis (9), Krebs (10), Sterilität (11) und das altbekannte metabolische Syndrom (12).

Wie entsteht eine Insulinresistenz?

Um die Behandlung einer Insulinresistenz nachzuvollziehen und damit gezielt der Entstehung von Diabetes Typ 2 entgegen zu wirken, muss verstanden werden, wie diese krankhafte Veränderung überhaupt entsteht. Interessanterweise ist zu beobachten, dass eine Insulinresistenz zwar oft mit Übergewicht assoziiert (13) wird, aber immer mehr Personen ohne Gewichtsprobleme davon betroffen sind. Für die Entstehung einer Insulinresistenz ist somit ausschlaggebend WAS wir essen!

Ein stetiger Überkonsum von Zucker und strak kohlenhydrathaltiger Produkte, die einen hohen Glykämischen Index (GI) oder eine hohe Glykämischer Last (GL) aufweisen, lassen den Blutzuckerspiegel dauerhaft auf einem hohen Niveau und führen letztlich zu krankhaft erhöhtem Insulinspiegel im Blut. Folge können Übergewicht, Fettleibigkeit und/oder Insulinresistenz sein.

Gibt es DIE super Lösung bei Insulinresistenz?

Ja, es gibt eine Lösung: eine dauerhafte, an die Insulinresistenz angepasste Lebensstilumstellung! Wie sich diese gestaltet, ist aber für jede Person individuell zu betrachten. Neben der Ernährungsumstellung, gilt es nämlich, auch mehr Bewegung, weniger Stress und ein gesundes Schlafverhalten zu entwickeln. Dies sind die 4 Säulen des „Insulinresistenz Behandlungskonzepts“ im Projekt “Insulinresistenz – der Weg zur Genesung”.

Betroffene sollen in erster Linie sich selbst kennenlernen und ihren Lebensstil so lenken, dass er dauerhaft ist, aber auch gesund. Unter Umständen kann dieser Prozess ein paar Jahre dauern. Das Projekt hilft ihnen dabei.

Es umfasst ein ganzheitliches Behandlungskonzept, das jeder Betroffene konform umsetzen, aber auch persönlich anpassen kann. Das ist auch mein Tipp an alle Betroffene: Egal ob bei uns im Projekt oder mit einer anderen Methode. Achtet auf wissenschaftliche Zusammenhänge, aber auch auf eure ganz persönlichen Präferenzen und Möglichkeiten. Verändert euren Lebensstil in der Form, dass ihr ihn ein ganzes Leben beibehalten könnt.

Wie soll ich meine Ernährung bei Insulinresistenz umstellen?

Eines wird schnell deutlich: Kurzfristige Diäten sind bei einer Insulinresistenz keine gute Idee. Diätkonzepte sind oft nicht langfristig angesetzt und vermitteln ein falsches Bild über eine gesunde und nahrhafte Ernährung (14). Das Ende einer Diät wird zudem häufig durch den Jojo-Effekt eingeläutet: Das Übergewicht kommt zurück und auch die Bauchspeicheldrüse und insulinempfindlichen Körperzellen werden erneut stark belastet und reagieren umso empfindlicher.

Viele Betroffene, berichten in den projektbezogenen Selbsthilfegruppen darüber, dass sie aufgrund von solchen restriktiven Ernährungsformen in der Vergangenheit überhaupt erst eine Insulinresistenz entwickelt haben, das ist auch uns selber passiert.

Dauerhaftigkeit ist daher das Schlüsselwort. Die Ernährungsumstellung spielt in den meisten Fällen die zentrale Rolle – nicht primär, um Gewicht zu verlieren, sondern vor allem um die Blutzuckerwerte und Insulinausschüttung zu stabilisieren! Eine dauerhafte Ernährungsumstellung muss persönlich angepasst werden. Empfehlenswert sind Ernährungsformen, die lang genug erforscht worden sind. Dazu zählen u.a. die Mittelmeer- und DASH Diät oder eine Ernährung, die auf einen niedrigen oder mittleren glykämischen Index basiert – also Lebensmittel, die den Blutzuckerspiegel nur mäßig bis gar nicht belasten.

So ganz ohne Restriktion geht es aber auch bei uns nicht. Das vielleicht „extremste“ in unserem Konzept sieht eine Zuckerreduktion vor – zu Beginn sogar einen Zuckerverzicht. Damit sollen Betroffene lernen, wie sie in Zukunft mit dem Genuss von zuckerhaltigen Speisen umgehen wollen – sie lernen, dass ein bewusster Genuss der richtige Weg ist und unbedachter Konsum vermieden werden sollte.

Die simple Wunderformel im Ernährungsprogramm unseres Projektes lautet daher: Eine gesunde, vollwertige und zuckerfreie Ernährung kann alle Werte verbessern. Ein gesundes Kaloriendefizit ist für die Gewichtsreduktion wichtig, der körpereigene Bedarf sollte aber immer gedeckt sein und die Kalorienzufuhr nicht unter den Grundumsatz fallen. So einfach und schwer zugleich!

Im Projekt “Insulinresistenz – der Weg zur Genesung” profitieren Betroffene noch dazu von ernährungswissenschaftlichen Wissen aus Studien zu verschiedenen Lebensmitteln, Kräutern oder Nahrungsergänzungsmitteln: Hülsenfrüchte und Soja können beispielsweise Mechanismen beeinflussen, die die Insulinsensitivität der Zellen verbessern (16) (17), Myo-Inositol und Inositol können ebenso positiven Einfluss auf die Insulinsensitivität nehmen (18) usw. Wir beraten im Projekt, wie derartige Produkte in die Ernährung einfließen können.

Darf ich bei einer Insulinresistenz noch Süßes essen?

Zuckerersatzstoffe können vor allem am Anfang helfen die Zuckersucht zu überwinden. Zucker stimuliert in unserem Gehirn das Belohnungs- bzw. Suchtzentrum und hat zur Folge, dass kurzzeitig Glückshormone ausgeschüttet werden. Ähnlich verhält sich das Gehirn auch bei der Einnahme von harten Drogen wie Heroin und Kokain (15).

Zuckerersatzstoffe die keinen bis kaum Einfluss auf die Insulinausschüttung haben (dazu zählen Xylit und Erythrit) werden aus diesem Grund in unserem Projekt empfohlen. Verträgt man sie gut und werden sie nicht zur Kompensation von Heißhungerattacken verwendet, sind Süßungsmittel eine tolle Alternative um sich das „Süße“ nicht verbieten zu müssen.

Wenn es um süße Produkte geht, können wir uns über das große Angebot von „Xucker“ freuen! Der Markt hat den Bedarf erkannt, ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Resümee

Die Ernährungsumstellung bei einer Insulinresistenz soll die Lebensqualität verbessern. Mit folgenden Punkten, könnt ihr sofort loslegen und eure Gesundheit wieder in richtige Bahnen bringen.

Wissen aneignen – Setze dich damit auseinander, warum du deinen Lebensstil und deine Ernährung ändern solltest.

Psyche – Frage dich: Bin ich bereit für eine dauerhafte Ernährungsumstellung? Will ich es wirklich schaffen?

Druck rausnehmen – Ich muss nichts, Ich kann!

Persönliche Anpassung – Das ist für mich konform – das tut mir und meinen Werten gut!

Esse möglichst wenig industriell verarbeitete Lebensmittel und achte auf eine gute Zutatenliste – die Produkte sollten den Blutzucker nicht zu sehr in die Höhe treiben. Sie sollten daher frei von Zucker jeglicher Art sein (Glucose, Honig, Agavendicksaft etc.) und auch wenig kurzkettige Kohlenhydrate wie Stärke oder Weißmehl beinhalten.

Esse viel Gemüse und vollwertige Kohlenhydrat-Quellen – Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) empfiehlt mindestens drei Portionen Gemüse und maximal zwei Portionen Obst am Tag zu verzehren.

Kombiniere Produkte clever miteinander und behalte die Menge von Kohlenhydraten im Auge, die du bei einer Mahlzeit zu dir nimmst. Verzichte nicht, sondern kombiniere Kohlenhydrate mit Eiweiß und guten Fettquellen. So wird Zucker aus dem Essen langsamer aufgenommen, was sich positiv auf Blutzuckerspiegel auswirkt.

Vergesse nicht das Trinken, denn es hält Körper und Geist fit.

Entwickle ein gesundes Bewusstsein für deine Ernährung und beantworte dir ehrlich: Warum esse ich überhaupt? Was soll es mir geben?

Achte auf ausreichend Bewegung, wenig Stress und einen gesunden Schlafrhythmus.

Wie geht es dir mit den Tipps? Stöhnst du erst einmal auf? Am Anfang wird es jedem Betroffenen, der sein Leben derart umkrempelt genauso gehen – die ersten Schritte kosten Überwindung, weil wir aus unserer Komfortzone herausmüssen. Wenn wir ehrlich sind, ist der normale Umgang mit Ernährung in unserer Gesellschaft verloren gegangen. Gib dir also Zeit und du wirst sehen: Der gesunde Ernährungsstil wird auch für dich nach und nach zur Gewohnheit und du bekommst ein Gefühl dafür, was deinem Körper wirklich gut tut.

>> Buch-Tipp: Das Sweet Buch

Autorinnen:

Alicja Kurzius

Gründerin des Projekts “Insulinresistenz-der Weg zur Genesung” und Buchautorin u.a. des Buches: „Insulinresistenz natürlich behandeln“.

Ergotherapeutin mit Spezialisierung auf die Arbeit mit Insulinresistenz- und Hyperinsulinämie-Betroffenen. Gründerin des ersten Insulinresistenz-Projekts in Deutschland mit mehreren Selbsthilfegruppen auf Facebook. Ehemaliges Mitglied und internationale Botschafterin der polnischen Insulinresistenz Stiftung. Selbst von Insulinresistenz, Hyperinsulinämie und PCOS sowie Hyperandrogenämie betroffen.

Gründerin der Informationswebseite www.insulinresistenz.club

Anika Dreier

Dipl. Biologin, arbeitet zurzeit in einem medizinischen Forschungslabor in Hannover. Sie begleitet aktiv das Projekt “Insulinresistenz- der Weg zur Genesung” u.a. bei Recherchen und Auswertung von Quellen.

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Quellen:

1. Wang G. Raison d être of insulin resistance: the adjustable threshold hypothesis. J R Soc Interface. 2014,11(101): 20140892

2. Engin A. Non-Alcoholic Fatty Liver Disease. Adv Exp Med Biol. 2017, 960:443-467.

3. Kutlubay Z, Engin B, Bairamov O,Tüzün Y. Acanthosis nigricans: A fold (intertriginous) dermatosis. Clin Dermatol. . 2015, 33(4):466-70.

4. Wilcox G. Insulin and Insulin Resistance. Clin Biochem Rev.2005, 26:19-39.

5. Almendros I, García-Río F. Sleep apnoea, insulin resistance and diabetes: the first step is in the fat. EuropeanRespiratory Journal . 2017, 49:1700179.

6. Lyrae Silva NM, Lam MP, Soares CN,Munoz DP. Insulin Resistance as a Shared Pathogenic Mechanism Between Depression and Type 2 Diabetes. Front. Psychiatry. 2019, 10:57.

7. Dineley KT, Jahrling JB, Denner L. Insulin Resistance in Alzheimer's Disease. Neurobiol Dis. . 2014, 72PA: 92–103.

8. Meier RK.Polycystic Ovary Syndrome. Nurs Clin North Am. 2018, 53(3):407-420.

9. Radetti G. Clinical aspects of Hashimoto's thyroiditis. Endocr Dev. . 2014, 26:158-70.

10. Garg SK,Maurer H, Reed K, Selagamsetty R. Diabetes and cancer: two diseases with obesity as a common risk factor. Diabetes,Obesity and Metabolism. 2014, 16: 97–110.

11. Sakumoto T, Tokunaga Y, Tanaka H, Nohara M, Motegi E, Shinkawa T, Nakaza A, Higashi M. Insulin resistance/hyperinsulinemia and reproductive disorders in infertile women. ReprodMed Biol. 2010, 9(4):185–190.

12. Gluvic Z, Zaric B, Resanovic I, Obradovic M, Mitrovic A, Radak D,Isenovic ER. Link between Metabolic Syndrome and Insulin Resistance. Curr Vasc Pharmacol. 2017, 15(1):30-39.

13. Deutsche Diabeteshilfe. [Online] 07. Februar 2011. [Zitat vom: 19. März 2019.] (https://www.diabetesde.org/pressemitteilung/fuenfte-frau-normalgewicht-hat-insulinresistenz).

14. Stice E, Davis K, Miller NP, Marti CN, Fasting Increases Risk for Onset of Binge Eating and Bulimic Pathology: A 5-Year Prospective Study. J Abnorm Psychol. 2008 Nov; 117(4): 941–946.

15. Lennerz B, Lennerz JK. Food Addiction, High glycaemic index carbohydrates and obesity. Clin Chem. 2018, 64:(1):64-71.

16. Clark JL, Taylor CG,Zahradka P. Rebelling against the insulin resistance: a review of the proposed insuline-sensitizing action of soybeans,chickpeas and their bioactive compounds. nutrients. 2018, 10: 434.

17. Gao Y, Yao Y, Thu Y, Ren G. isoflavones in chickpeas inhibit adipocyte differentiation and prevent insulin resistance in 3T3-L1 cells. J. Agric. Food. Chem. 2015, 63:9696-9703.

18. Fruzzetti F, Perini D,Russo M, Bucci F, Gadducci A. Comparison of two insulin sensitizers, metformin and myo-inositol, in women with polycystic ovary syndrome (PCOS).GynecolEndocrinol. 2017, 33(1): 39-42.

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